12.10.2021

7. Klimawerkstatt: Klimaklage gegen Sachsen-Anhalt

Klimaschutz ist die existenzielle Herausforderung, um die Freiheit nachfolgender Generationen zu sichern. Die neue CDU-SPD-FDP-Koalition in Sachsen-Anhalt hat sich völlig unzureichende Klimaschutzziele gesetzt, obwohl Klimaschutz als Staatsziel in der Landesverfassung verankert ist.

In der Folge haben junge Menschen gegen das Land geklagt. In der 7. Ausgabe der Veranstaltungsreihe „Klimawerkstatt“ haben wir am 4. November 2021 erörtert, wie über Gerichte Klimaschutz durchgesetzt werden kann, um den Zielen des Pariser Klimaabkommens und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu werden.

Die Veranstaltung, die hybrid stattfand, startete mit einem eindrucksvollen Einspieler mit dem Autor und Umweltschützer Ernst Paul Dörfler. Er beschrieb in seiner unnachahmlichen Art unseren wunderschönen Heimatplaneten Erde. Leider sei dieser in Gefahr. Das Zeitfenster schließe sich, um die schlimmsten Folgen noch zu verhindern. Sonst könne es zu scheinbar undenkbaren Szenarien kommen, wie beispielsweise, dass die Elbe im Sommer zeitweise austrocknen könnte, wie es in den letzten Jahren schon annährend zu beobachten war.

Bei der Eröffnung stellte Cornelia Lüddemann, Vorsitzende der grünen Landtagsfraktion, fest, dass seit der 1. Klimawerkstatt im Jahr 2017 das Thema Klimaschutz deutlich an Sichtbarkeit gewonnen hat. Das liege auch an häufiger werdendem Extremwetter wie den Waldbränden in Sibirien und Australien, die Katastrophe im Ahrtal oder die seit Jahren andauernde Dürre in Madagaskar. Lüddemann bedauerte, dass trotz des gestiegenen Bewusstseins noch deutlich zu wenig gehandelt wird. Sachsen-Anhalt müsste bis spätestens 2035 klimaneutral werden. Sie erläuterte, wie die grüne Ministerin Claudia Dalbert in der letzten Legislatur mit dem Klima- und Energiekonzept die Vorarbeit geliefert hat. Damals sei ein verbindliches Klimaschutzgesetz an dem Widerstand der CDU gescheitert. Auch in den Sondierungen nach der Landtagswahl hat die CDU klar gemacht, dass sie daran kein Interesse habe. Diese Ambitionslosigkeit zeige sich nun leider auch im Koalitionsvertrag, prangerte Lüddemann.

Der Sprecher für Klimaschutz der grünen Landtagsfraktion, Wolfgang Aldag, ergänzte Lüddemann. Aldag kritisierte, dass die anderen Parteien die Verantwortung für den Klimaschutz bei den Bündnisgrünen abladen. Dem liegt die Fehleinschätzung zu Grunde, dass es nicht alle Menschen elementar betreffen würde. In der neuen Koalition in Sachsen-Anhalt fehlt die grüne Handschrift und dementsprechend fehlen sämtliche entscheidenden Maßnahmen für mehr Klimaschutz wie das Zwei-Prozent-Flächenziel, die Solarpflicht, die Mobilitätswende oder Maßnahmen zur Erhöhung der ökologischen Sanierungsquote. Ziel der Bündnisgrünen Landtagsfraktion ist es, die Ambitionslücke beim Klimaschutz zu schließen. Das wird leider über das Parlament nicht zu erreichen sein. Deswegen sind Klimaklagen für unsere Fraktion sehr nachvollziehbar. Wir sind bereit alle rechtsstaatlichen Mittel zu unterstützen, die mehr Klimaschutz durchsetzen.

Jemand, der sich mit Klimaklagen gut auskennt, ist Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt. Der Jurist, Soziologe und Philosoph hat die erfolgreiche Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht geführt. Er wies deutlich darauf hin, dass die bisherige Politik zwar nicht dem Staatsziel aus Artikel 20 des Grundgesetzes widerspricht, aber abzusehen ist, dass durch zu wenig Klimaschutz heute, zu einem späteren Zeitpunkt die Reduktion von CO2 massiver stattfinden muss. Was man sich heute vermeintlich spart, muss später massiv und auf einen Ruck geschehen. Dies hätte laut Bundesverfassungsgericht Freiheitsbeschränkungen zu Folge, welche mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind. Das Gericht hat auch festgestellt, dass bei Klimaklagen von Privatpersonen die direkte Betroffenheit nicht mehr dargelegt werden muss. Ekardt meinte, dass vor allem auf Bundes- und Landesebene Klimaschutz auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden muss. Das Urteil könnte aber als Grundlage genutzt werden, um klimafeindliche Beschlüsse auf sämtlichen Ebenen zu kippen.

Den Vortrag als PDF gibt es hier.

Es folgt ein Einspieler mit Iris Brunar vom BUND-Elbeprojekt in den Elbauen. Diese drohen trocken zu fallen und würden dann als wichtige Komponente, um CO2  zu binden, wegfallen. Deshalb nennt man sie auch CO2-Senken.

Wie Klimaschutz auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden kann, zeigte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Sascha Müller-Kraenner. Neben der bekannten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht wurden dort bereits 10 Bundesländer, darunter auch Sachsen-Anhalt, verklagt, wobei jeweils junge Privatpersonen als Beschwerdeführer*innen fungieren und durch die DUH unterstützt werden. Außerdem gibt es Unternehmensklagen gegen Mercedes, BMW und Wintershall DEA.

Den Vortrag als PDF gibt es hier. 

Emma Kiehm ist Beschwerdeführerin der Klimaklage in Brandenburg. Wie in Sachsen-Anhalt gibt es dort kein Klimaschutzgesetz. Als Klimaschutzaktivistin bei Fridays for Future weiß sie, dass die Klimakrise die größte Gefahr für die Menschheit ist und dadurch ihr Leben stark eingeschränkt werden wird. Trotz persönlichen Anfeindungen ist es ihr wert die Klimaklage zu führen.

Auch Luca Salis, der sich seit drei Jahren bei Fridays for Future engagiert, hat sich zu einer Klage entschieden, und zwar gegen Sachsen-Anhalt. Die Politik handelt aus seiner Sicht völlig unzureichend, was bei ihm einen existenziellen Vertrauensverlust in die Politik und Politiker*innen im Allgemeinen auslöse. Selbst Demonstrationen historischen Ausmaßes in Deutschland mit 1,4 Millionen Teilnehmer*innen haben nur kleine Schritte erreichen lassen. Das bedauert er. Er stellte heraus, dass keine Partei ein 1,5-Grad-kompatibles Bundestagswahlprogramm aufgestellt habe. Ihm bleibt daher keine andere Wahl, als alle rechtsstaatlichen Mittel auszuschöpfen und gegen das Land zu klagen.

In der folgenden Diskussion waren sich die Beteiligten einig, dass alle rechtsstaatlichen Mittel ausgeschöpft werden müssen, bis die Gesellschaft auf einem 1,5-Grad-Pfad ist. Ein Erfolg bei der Klage gegen Sachsen-Anhalt könnte dazu führen, dass das Land vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert wird, ein Klimaschutzgesetz bis zu einem bestimmten Datum zu verabschieden. Die konkreten Maßnahmen müssen aber von der Politik festgelegt und umgesetzt werden. Es wurde außerdem diskutiert, ob eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht sinnvoll ist.

Die folgende Ausgabe der Klimawerkstatt hat sich mit dem Thema ökologisches Bauen befasst und fand am 16. März 2022 statt.